Pause machen – warum uns das so schwerfällt und wie es trotzdem gelingen kann

Pause machen - mit Anleitung zum Downloaden

INHALT

Warum dir Pausen wichtig sein sollten

Das Tempo der sich täglich überschlagenden Nachrichten ist kaum noch auszuhalten. Oder wie geht es dir damit? Wir leben in unruhigen Zeiten. Und diese äußere Unruhe spiegelt sich ja nicht erst seit heute in uns selbst wider. Innere Ruhe und Gelassenheit – ein Wunschtraum.
Da hilft auch ein Urlaub nur kurzfristig. Aber wenn wir nicht regelmäßig im Alltag kleine Pausen einlegen, brennen wir aus. Wie kommt’s, dass unsere Tage wider besseres Wissen im wahrsten Sinne des Wortes pausenlos sind? Und wie kannst du das für dich persönlich ändern?

Warum Pause machen so schwer fällt ...

... und uns Kriegsenkel*innen besonders

Merkst du, wie sehr du den ganzen Tag hinter dir selbst herrennst? Hinter dir und deinen Aufgaben, hinter dir und deinen Ansprüchen, hinter dir und den Ansprüchen der anderen?

Alte Glaubenssätze – besonders in Flüchtlingsfamilien

„Wer rastet, der rostet. Von nichts kommt nichts. Müßiggang ist aller Laster Anfang. Ohne Fleiß keinen Preis.“ Du kennst sie alle. Klar. Wir Kriegsenkel*innen haben sie mit der Muttermilch aufgesogen. Bloß kein Stillstand, immer vorwärts, immer Leistung bringen, alles erledigen – und noch ein bisschen mehr. Zeigen, dass wir auch jemand sind.
So war das damals. Damals nach der Flucht, nach dem Ausgebombtsein, nachdem unsere Großeltern dastanden mit leeren Händen. Ganz von vorn beginnen mussten. Aus dem Nichts etwas aufbauen. Da zählte allein die Leistung. Wer was leistete, konnte wieder jemand werden. Denn: sie waren niemand mehr. Das wurde ihnen tagtäglich gespiegelt.
Und genau deswegen hat es sich in uns so tief eingebrannt – auch noch zwei Generationen später. So sehr, dass wir heute ruckzuck ausbrennen. Nein, natürlich nicht ruckzuck, aber immer schneller. Jede dritte Frau (und jeder fünfte Mann) gab 2021 an, unter extremem Stress zu stehen. Burnout mutiert gerade zur gesellschaftlichen Gesundheitsbedrohung.

Wozu wir Pausen brauchen

Das Leben folgt einem Rhythmus

Die Natur macht es uns vor: sie folgt einem Rhythmus. Von Tag und Nacht. Von Aktivität und Ruhe. Von Geben und Nehmen. Die Pflanzen blühen im Sommer, ziehen sich in den Boden zurück im Winter. Ein Hund nimmt sich genau den Schlaf, den er braucht. Und wir, was machen wir?

Ohne Entspannung kollabiert unser Nervensystem

Als Kriegsenkel*innen leben wir häufig seit unserer Kindheit außerhalb unseres „Window of Tolerance“. Das ist das Fenster, innerhalb dessen wir in einem gesunden Maß pendeln würden zwischen Anspannung und Entspannung. Doch wir bewegen uns außerhalb dieses Fensters im ungesunden Bereich, leben in zu hoher Erregung oder fallen in die Untererregung.

Ein Zeichen für Dauerstress. Wir sind so dran gewöhnt, dass es vielen von uns gar nicht auffällt. Bis Körper und Seele sich ganz laut melden: Mit Kopf- und Rückenschmerzen, mit Schlaflosigkeit und Wortfindungsstörungen, mit Gedankenkreisen und Weinkrämpfen aus heiterem Himmel.

Die Lernpause –
wozu sie gut ist und was wir von ihr lernen können

Etwas sacken lassen – kennst du das? In unserer Jugend hofften wir, die Vokabeln morgens zu können, wenn wir sie nachts unters Kopfkissen gelegt hatten. Im Prinzip eine hervorragende Idee, vorausgesetzt wir haben vorher mal zwei Lernrunden gedreht mit eben diesen Vokabeln.

Denn dann kann Pause machen Wunder wirken. Warum? Weil unser Gehirn Ruhe braucht, damit Datenbahnen sich neu verknüpfen können. Das wirkt beim Jonglieren und Gedicht auswendig lernen ebenso gut. Pause machen ­– das hilft auch bei der Verarbeitung aller Eindrücke (da steckt übrigens das Wort Druck drin!) des Tages.

Pause machen hilft dir beim

  • Innehalten
  • Sacken lassen
  • Reflektieren und Verarbeiten von Eindrücken
  • Rauskommen aus dem Funktionsmodus hin zu dir selbst
  • Vermindern von Reizen
  • Wahrnehmen meines eigenen Körpers
  • Wahrnehmen meiner eigenen Bedürfnisse

Die große Pause: guter Nachtschlaf

Nein, es ist keine Lebenszeitverschwendung. Obwohl wir das ja manchmal denken, wenn uns unsere vollgepackten Tage viel zu kurz erscheinen. Es ist das genaue Gegenteil. Es ist fast eine Garantie für eine Lebenszeitverlängerung. Körper und Geist arbeiten nachts für uns und unsere Gesundheit, ganz ohne unser Zutun. Ja klar, das ist ein alter Hut. Aber wir beachten ihn viel zu wenig.

Hier zwei Links zum Thema “Guter Schlaf”

Was passiert bei Dauerstress?

Der Jo-Jo-Effekt

Hier ist es ein wenig ähnlich wie beim Abnehmen – der Jo-Jo-Effekt lässt grüßen: Durch Dauerstress landest du irgendwann in der Erschöpfung oder Krankheit. In dieser Zwangspause bleibst du so lange, bis du dich halbwegs regeneriert hast. Dann flott zurück in den Funktionsmodus und alles geht von vorne los.

Nur geht’s jetzt schneller bis du wieder in die Erschöpfung fällst oder dein Körper sich auf andere Art meldet, um dich zu fragen „Willst du oder kannst du mich nicht verstehen?“ Nein, als Kriegsenkel*innen können wir ihn eben leider oft nicht verstehen, weil wir das nie gelernt haben.

Du nimmst deine eigenen Bedürfnisse nicht wahr

In unserer Kindheit waren unsere Bedürfnisse oftmals gar nicht gefragt. Wir haben gelernt, dass sie bzw. wir stören, wenn wir sagen, was wir wollen. Häufig ging es in erster Linie darum, dass es unseren Eltern bzw. unserer Mutter gut ging. Denn das war natürlich auch für uns besser. Also kümmerten wir uns zuerst um ihre Bedürfnisse. Und haben nie gelernt, in uns selbst hineinzuhorchen und auf uns zu achten. Zu spüren, wie es uns selbst geht.
All dies geschah vollkommen unbewusst. Sowohl von Seiten unserer Mütter als auch von Kinderseite. Es ist ein klassisches Kriegsenkel-Symptom, Parentifizierung heißt der Fachbegriff. (Hier findest du Erklärungen zu weiteren Begriffen rund ums Thema Kriegsenkel) Schon in frühester Kindheit kommt es so zur Überforderung durch eine Umkehrung der emotionalen Fürsorge. So sind wir zu wahren Kümmerer-Expert*innen geworden. Und nicht selten sehr erfolgreich in Berufen, in denen Empathie eine große Rolle spielt.

Voll ausgebremst: Du wirst krank.

Aber auf Dauer beuten wir uns damit aus. Immer nur nach anderen schauen und nie oder nur selten nach uns: Das kann ja gar nicht gut gehen. Wir wissen es und ändern es dennoch nicht. Weil es eben so tief sitzt. Doch dein Körper macht da irgendwann nicht mehr mit. Gut so: Er bremst dich aus. Danke, lieber kluger Körper!

Mit diesen 3 Tipps entkommst du der Stress-Falle

Tipp 1: Nimm dich wichtig

Zuallererst musst du die Entscheidung treffen: Ja, ich will mich um mich kümmern. Ich bin der wichtigste Mensch in meinem Leben. Falls das für dich ungewohnt klingt, lies es einfach noch einmal in Ruhe: Ich. Bin. Der. Wichtigste. Mensch. In. Meinem. Leben. Es ist dein Leben. Es nützt niemandem in deinem Umfeld, wenn es dir schlecht geht. Darum: Entscheide dich ab sofort: Ja, ich will lernen, wie das geht mit dem Pause machen.

Tipp 2: Etabliere 3-Minuten-Pausen

Es geht jetzt erstmal nur um eine ganz kleine Pause. Maximal 3 Minuten, nicht länger.

Mini-Pause machen - so geht's

Du wendest dich von dem ab, was du gerade tust.
Und wendest dich dir zu.
Du lauschst in dich hinein und fragst dich:

  • Was fühle ich gerade in meinem Körper?
  • Was erlebe ich gerade emotional?
  • Welche Qualität haben meine Gedanken?
  • Was könnte mir jetzt guttun?
Dabei hilft dir dieses PDF zum Runterladen, auf dem du in Gedanken oder real markieren kannst, wo du was in deinem Körper spürst. Und du bekommst ein paar Ideen zu Auswahl, wie es dir gerade emotional gehen könnte und was mit der Qualität deiner Gedanken gemeint ist.

Was auch immer das Ergebnis ist, es geht nicht darum, es zu bewerten. Sondern nur darum, es wahrzunehmen. So wie es jetzt im Augenblick ist. Nur darum geht es: Dich selbst spüren. 

Und dir dann – wenn du magst – etwas Gutes tun. Das muss nicht groß sein: ein wenig recken und strecken, ein paar Schlucke Wasser trinken, eine halbe Minute vom offenen Fenster aus in den Himmel schauen und die Wolken beobachten. Nur was ganz Kleines.

Tipp 3: Finde deinen eigenen Rhythmus

Eine Mini-Pause von drei Minuten alle zwei Stunden. Das wäre perfekt. Muss aber nicht sein. Du entscheidest, was dir wie oft guttut. Nach einer Weile wirst du ein Gespür dafür bekommen. Du wirst auch merken, dass es dir hilft, du dich danach wieder besser konzentrieren kannst und gleichzeitig mehr bei dir bist.

4 Fehler und wie du sie vermeidest

Fehler 1: Pause als To do

Betrachte deine Pause nicht als weiteres To do, das abgehakt werden muss, sondern gib ihr die Wichtigkeit eines Termins, auf den du dich freust. Eines Termins mit dir. Du allein gibst deiner Pause die Wertigkeit. Nutze deine Macht!

Fehler 2: Kläffender Schweinehund

„Diese blöden kleinen Pausen, was sollen die schon bringen?“ Das oder ähnliches flüstert dir dein innerer Schweinehund zu. Der hat nämlich überhaupt keine Lust auf Veränderung. Was so klitzeklein daher kommt, riecht nach massiver Bedrohung für deinen Gewohnheitsschweinehund. Er wird mit allerlei Mitteln versuchen, dich von deinem Vorhaben „Projekt Mini-Pause“ abzubringen. Sei also auf der Hut!

Fehler 3: Ungeduld

Sei gnädig mit dir. Es ist noch kein*e Pause-machen-Meister*in vom Himmel gefallen. Fang klein an, ein-, zweimal am Vormittag. Und dann noch zwei Mini-Pausen am Nachmittag. Vielleicht stellst du dir einen Handy-Wecker zur Erinnerung? Und wenn es heute nicht geklappt hat, startest du morgen einfach einen neuen Versuch. Und dann steigerst du ganz langsam die Anzahl der Mini-Pausen. Für dich. Nur für dich. Damit es dir am Ende besser geht.

Fehler 4: Heimlichtuerei

Und wenn andere dich beim Pause machen „erwischen“, erzähl ihnen einfach von deinem Projekt. Sag ihnen ruhig, dass dein Nervensystem das braucht. Dass es dir guttut. Dass du dich langsam wieder spürst. Dass es vielleicht auch ihnen guttun würde. Dass kleine Pausen Wunder wirken.

Auszeit

Wenn du mit deiner Mini-Pause so richtig warm geworden bist, dann plane bald mal eine größere Pause ein. Eine Auszeit vom Alltag. Ein Date mit deiner neuen Freundin namens Pause, der großen Schwester der Mini-Pause. Und grüß beide ganz herzlich von mir!

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4 Antworten

  1. Liebe Susanna,

    voll erwischt.Kopfkino…

    Ja, so wurde ich als Kriegsenkelin auch erzogen: Leistung, immer was Sinnvolles machen, nicht trödeln, schon gar nicht Löcher in die Luft starren. Einfach nichts tun – wo kommen wir denn da hin? Wo es doch noch so viel zu tun gibt? Und wenn wir was tun, muss es den Maßstäben anderer standhalten.

    Wie gut, dass ich oft genug selbst entschieden habe, was gut für mich ist. Das fand ich übrigens immer dann raus, wenn ich mir eine AusZeit (Pause) genommen habe und auf meinen Bauch gelauscht habe. Der hatte glücklicherweise auch noch ein Wörtchen mitzureden.

    Danke für deinen Schubser. Muss jetzt Pause machen. Ich möchte mal wieder, so wie früher als Kind, einfach so Kastanien sammeln und durch bunte raschelnde Ahornblätter waten.

    LG, Martina

  2. LIebe Susanne,

    auch wenn ich es aus einer ganz anderen Perspektive betrachte – ich bin total bei dir und finde deine Inspirationen einfach wunderbar.
    Pausen sind sooo immens wichtig!
    VIele Jahre habe ich sie mir selbst nicht zugestanden – ich wurde von einer Kriegsgeneration erzogen 😉.
    Ich würde gern noch ergänzen, dass Bewegung sehr häufig ganz besonders gut hilft, z.B.
    – als meditatives Gehen,
    – Kraftsport zum Auspowern,
    – Yoga, um besser zu sich zu kommen
    oder was immer jeden anspricht.
    Es gibt wirklich für jeden eine geeignete Bewegungspraxis, die in der Lage ist, den Kopf schnell mal frei zu bekommen.

    1. Absolut! Dazu fällt mir ein Postkarten-Spruch ein, den ich sehr mag “Was uns bewegt, hält uns lebendig”. Das ist dann nämlich der Benefit aus der Bewegung: Mich lebendig fühlen!

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