Parentifizierung ­ – 11 bemerkenswerte Spätfolgen des frühen Rollentauschs zwischen Eltern und Kind

Parentifizierung kann dramatische Spätfolgen haben, der Rollentausch zwischen Eltern und Kind, wenn du viel zu früh erwachsen sein musstest

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Parentifizierung mit Spätfolgen – was bedeutet das?

Gehörst du zu den Menschen, die gerne Verantwortung für andere übernehmen? Hast du oft gute Lösungs-Vorschläge, wenn andere in einer Notlage sind? Du fühlst dich schnell zuständig? Du fühlst dich innerlich geradezu gezwungen, ihnen zu helfen?

Dann kann es sein, dass du in deiner Kindheit Parentifizierung erlebt hast. Das bedeutet, dass bei euch Zuhause die Rollen zwischen Eltern und Kind vertauscht waren. Du warst dann in manchen Lebensbereichen Eltern für deine Eltern oder zumindest für ein Elternteil, meistens für die Mutter.

Das kommt wesentlich häufiger vor als wir denken. Manchmal beginnt es schon vor der Geburt. Mit teils dramatischen Spätfolgen. Aber dazu später.

Die beiden Arten der Parentifizierung

Wir unterscheiden zwei Arten der Rollenumkehr: Die instrumentelle und die emotionale Parentifizierung. Häufig sind diese beiden Arten subtil miteinander verwoben.

Die instrumentelle Parentifizierung

Hier übernimmt ein Kind Aufgaben, die nicht altersgemäß sind, weil die Eltern körperlich oder psychisch nicht dazu in der Lage sind. Von diesen Kindern wird mit großer Selbstverständlichkeit erwartet, dass sie putzen, einkaufen, kochen, die jüngeren Geschwister beaufsichtigen, etc.

Sie werden bei diesen Aufgaben in der Regel weder begleitet noch angeleitet, meist nicht einmal gelobt. Ein Beispiel sind aber auch Migrantenkinder, die für ihre Eltern bei öffentlichen Angelegenheiten dolmetschen, zu Themen, die noch längst nicht ihre Lebenswelt sein sollten.

Oder Kinder, die eine psychisch oder körperlich kranke oder abhängige Mutter versorgen.

Die emotionale Parentifizierung

In diesem Falle ist das Kind zuständig für die emotionale Stabilisierung eines Elternteils oder sogar der elterlichen Beziehung. Es wird in Konflikte zwischen den Eltern hineingezogen, um sie zu entschärfen, zu vermitteln oder die Eltern zu trösten.

Oft gibt es dazu keine konkrete Aufforderung, sondern das Kind spürt einfach die unausgesprochene Erwartungshaltung der Eltern.

Nach Trennungen der Eltern findet sich das Kind schnell mal in der Rolle des Freundes, Beraters oder Therapeuten wieder. Oder dient gar als Partnerersatz. So wird es in die Gefühlswelt der Erwachsenen verwickelt und ist damit natürlich vollkommen überfordert.

Warum gucken alle weg?

Nach außen hin wirken Kinder, denen diese hohe, nicht altersgemäße Verantwortung übertragen wird, oft sehr reif, vernünftig und aufgeweckt. Das führt in unserer leistungsorientierten Gesellschaft eher zu Bewunderung als zu Verwunderung.

Da hört das Kind dann Kommentare wie „Das machst du aber toll, dass du dich so um deine kranke Mama kümmerst“ oder „Du bist aber schon ein großer kleiner Mann, die Mama ist sicher stolz auf dich.“

Nein, die Mama ist in der Regel nicht stolz, sondern bedürftig. Aber diese Bedürftigkeit sollte sie nicht an ihr Kind adressieren, sondern an Menschen auf ihrer Lebensstufe, also an Erwachsene in ihrem Umfeld. 

In vielen Köpfen ist immer noch verankert, dass Kinder eigentlich nur kleine Erwachsenen sind. Und wenn man sie nur genügend fordert, dann wachsen sie über sich hinaus und schaffen das schon. Das macht sie zwar früher reif als die Gleichaltrigen und auch ernsthafter. Viele denken, das sei doch nicht schlimm. Ist es aber.

Was sind die Ursachen der Parentifizierung?

Kranke und dadurch überforderte Eltern

Die Landesärztekammer Hessen veröffentlichte 2021 folgende Zahlen: „In Deutschland wachsen ungefähr drei bis vier Millionen Kinder und Jugendliche mit mindestens einem psychisch kranken Elternteil auf; zwischen 10-30 % der betroffenen Mütter haben minderjährige Kinder.“

Diese Kinder bezeichnet man als eine „vergessene Risikogruppe“, anfällig nicht nur für „Auffälligkeiten“, sondern auch für eigene psychische Probleme. Nur, wenn Vernachlässigung und Missbrauch angezeigt werden, treten diese Kinder in Erscheinung.

 

Neben den psychisch kranken Eltern kommen noch die mit chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten hinzu. Kinder, die in solchen Familien aufwachsen, sind oft weit über das gesunde Maß hinaus gefordert.

Ehekonflikte und Trennungen

In 2021 lag die Scheidungsquote in Deutschland bei knapp 40 %. Räumliche Trennungen ohne eine Scheidung oder Trennungen nicht verheirateter Paare werden hier nicht erfasst. Schon allein die Streitereien, die diesen Trennungen vorausgehen, führen nicht selten zu emotionalen Parentifizierungen.

Selbst Eltern aus höheren Bildungsschichten blenden im Eifer des Gefechts aus, dass Kinder nicht Zeuge und erst recht nicht Schlichter in Auseinandersetzungen sein dürfen. Wird das Kind hineingezogen, gerät es in eine Triangulation, in eine ungesunde Dreiecksbeziehung, in der das Kind einem der beiden Partner den Rücken stärken soll.

Nicht erwachsene Erwachsene

„Es ist bequem, unmündig zu sein“, schrieb schon Immanuel Kant (1724-1804). Ja, Erwachsensein ist anstrengend. Es bedeutet Verbindlichkeit und Eigeninitiative, Abgrenzung und Klarheit. Es setzt Empathiefähigkeit und Kompromissbereitschaft voraus. Und natürlich Verantwortung, erst recht Selbstverantwortung.

Kurz: ein gut entwickeltes Selbstbewusstsein. Generell geht man heute davon aus, dass das Erwachsenwerden ein Prozess ist, der sich bis ins vierte Lebensjahrzehnt hinein erstreckt. Vor diesem Hintergrund ist es also gar nicht verwunderlich, dass vermeintlich erwachsene Eltern sich ihrerseits noch nach „Beelterung“ sehnen.

Warum Parentifizierung oft schon im Mutterleib beginnt

Ergebnisse aus der Pränatal-Forschung

Schon im Mutterleib nimmt das Ungeborene die Stimmung wahr, in der sich die Mutter gerade befindet. Und es reagiert darauf. Denn die Nervensysteme von Mutter und Kind sind noch aufs engste miteinander verbunden. Das Nervensystem des Kindes ist frühestens zwei Jahre nach der Geburt ausgereift.

Das heißt, davor reagiert das Kind auf jede Gefühlsregung der Mutter in unmittelbarer Weise. Es versucht bereits, einen Ausgleich herzustellen. Beispielsweise die Mutter zu „schonen“ und möglichst wenig zu „stören“, wenn die Mutter ständig in Anspannung ist. 

Je häufiger und intensiver wir im Mutterleib ein immer wiederkehrendes Gefühl unserer Mutter erlebt haben, desto näher ist uns später diese Gefühlslage. Hier spricht man von pränataler Prägung.

Traumatisierte Mütter

Nach der Geburt kann es sein, dass die Mutter auf uns als Baby nicht so reagiert, wie die Natur es vorgesehen hat. Wir brauchen nämlich sogenannte „Co-Regulation“. Das heißt, wenn wir schreien, sollte sofort jemand da sein, der uns beruhigt.

Im besten Fall sollte unsere Mutter direkt merken, wie es uns geht. Sie sollte uns anregen und sich mit uns gemeinsam freuen. So lernen wir: Wenn die Erregung hoch geht, ist es schön, das Leben macht Spaß, die Welt ist ein wunderbarer Ort!

Bei traumatisierten Müttern ist es anders. Das Baby lernt: Wenn die Erregung hoch ist, passiert gerade etwas Bedrohliches. Denn die hohe Erregung der Mutter ist oft unbewusst gekoppelt mit einem Gefühl von Angst und Schrecken.

So kann es kommen, dass die Mutter, wenn sie ihr Kind auf den Arm nimmt, gar nicht das Baby beruhigen will, sondern sich selbst. Also lernt das Kind schon ganz früh: Ich bin dazu da, Mama zu beruhigen. Der Sinn meines Daseins ist, für meine Mama zu sorgen. Es lernt: Meine eigenen Bedürfnisse sind nicht wichtig. Nur die von Mama zählen.

Das trifft beispielsweise auf viele Menschen der Generation Kriegsenkel zu, deren Mütter als Kinder im zweiten Weltkrieg traumatisiert wurden. Sie waren kaum in der Lage, ihrem Kind Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Dadurch war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie ihre Kinder vollkommen unbewusst parentisiert haben.

Parentifizierung – ein archaisches Muster mit schwerwiegenden Spätfolgen

Die Fähigkeit des Kindes, in die Elternrolle zu gehen, ist eine enorme Anpassungsleistung. In ihrem Ursprung ist sie eine Überlebens-Strategie. Ein Kind wird immer alles tun, um ein Gefühl der Sicherheit herzustellen. 

Sicher ist das Kind nur, wenn die Mutter funktioniert. Denn in seiner Wahrnehmung ist es zu einhundert Prozent von ihr abhängig. Das Kind wird also alles in seiner Macht Stehende tun, um die Mutter zu stabilisieren. All diese „Handlungen“ passieren absolut unbewusst.

Ständige Überforderung

Es liegt auf der Hand, dass dies ein fast übermenschliches Unterfangen ist. Denn ein Kind sollte ein Kind sein dürfen. Es sollte sich zu jeder Zeit seinen Anlagen gemäß frei entfalten dürfen. Mit Begleitung der Eltern. Für ihre gesunde Entwicklung sind Kinder elementar angewiesen auf Sicherheit, Geborgenheit und Wohlwollen.

Die Eltern- und die Kind-Ebenen sollten ganz klar voneinander abgegrenzt sein. Werden diese vertauscht, geht die Klarheit verloren und damit die Orientierung. Mit diesen Umständen kommen Kinder zwar äußerlich klar, aber nie innerlich!

Befindet sich ein Kind in einer ständigen Überforderung, wird das „Für-andere-Sorgen“ zu seiner zweiten Natur; es entwickelt ein Verhaltens-Muster. Dieses Muster wird es im weiteren Leben unbewusst auf alle Beziehungen und Bindungen übertragen.

Gedicht Parentifizierung

11 mögliche Spätfolgen deiner Parentifizierung

1. Du hast ein ausgeprägtes Pflichtgefühl

Dich muss man gar nicht groß bitten, du fühlst dich von selbst ganz schnell verpflichtet, irgendwo einzuspringen und zu helfen. Egal, ob es für dich persönlich gerade passt oder nicht. Da gehen die anderen immer vor. Du empfindest deine Hilfsbereitschaft als Pflicht. Sie gehört für dich quasi zum guten Ton.

2. Du hilfst wo du kannst

Helfen kannst du eigentlich immer und überall. Denn du hast viele gute Ideen, wie du jemandem in seiner besonderen Notsituation aus der Patsche helfen kannst. Du neigst dazu, dich einzumischen, einfach, um zu helfen. Oft auch ungefragt.

Bevor jemand seine Bedürfnisse artikuliert hat, bist du schon zur Stelle. Als könntest du hellsehen. Und so ist es ja auch fast. Deine jahrzehntelange Erfahrung zahlt sich hier aus.

3. Du findest deine eigenen Bedürfnisse unwichtig

Dein Motto: Erstmal schauen, dass es allen um dich herum gut geht. Danach kannst du dich ja immer noch um dich kümmern. Nur kommt es oft gar nicht dazu, weil die anderen dann schon wieder neue Probleme haben und du gefragt bist.

4. Du wirst oft ausgenutzt

Manchmal wird es dir fast zu viel. Immer fragen alle zuerst dich, ob du helfen kannst. Hin und wieder fühlst du dich ausgenutzt. Trotzdem fällt es dir schwer, nein zu sagen. Dann hättest du echt ein schlechtes Gewissen.

5. Du hast ein großes Harmonie-Bedürfnis

Schon als Kind hast du dafür gesorgt, dass es allen gut geht: dass Frieden war, dass Streit entweder gar nicht erst aufkam oder schnell geschlichtet wurde. Noch heute tust du alles, um Konflikte zu vermeiden. Das ist dir unglaublich wichtig. Unfrieden hältst du nur schwer aus.

6. Du hast gern alles unter Kontrolle

Wenn du die Fäden in der Hand hast, dann weißt du: Die Sache läuft. Und zwar wie am Schnürchen. Da kann man niemand anderem vertrauen. Nur, wenn du es selbst machst, kannst du sicher sein, dass wirklich alles klappt.

7. Du fühlst dich schnell schuldig

Wenn etwas mal nicht gelingt, eine Situation sich mit deiner Hilfe doch nicht so entwickelt wie gedacht, dann fühlst du dich schnell schuldig.

8. Du bist perfektionistisch

Du bist es gewöhnt, große Leistungen zu vollbringen. Damals hattest du das Gefühl, dass du dir die elterliche Liebe mit all diesen Leistungen verdienen musstest. So definierst du ganz unbewusst auch heute noch deinen Selbstwert über Leistung und Erfolg. Und um Erfolg zu haben, musst du natürlich perfekt sein, musst perfekte Leistungen liefern.

9. Du neigst zu symbiotischen Beziehungen

Du bist vollkommen auf deinen Partner ausgerichtet, willst ihm gerne alles recht machen, liest ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Wenn er glücklich ist, bist du es auch. So läuft das bei euch.

10. Du spürst manchmal großen Groll

Doch ganz, ganz tief in dir wohnen Wut und Groll über die Ungerechtigkeit, die dir widerfahren ist. Die Ungerechtigkeit, dass deine eigenen Bedürfnisse ständig übergangen wurden. So lange bis du sie gar nicht mehr gespürt hast.

Geblieben ist allein diese vermeintlich unerklärliche Wut, die sich hin und wieder ihren Weg an die Oberfläche bahnt.

11. Du bist oft ängstlich

Wenn Eltern nicht wirklich Eltern waren, fehlt oft das Gefühl für Halt in der Welt. Dann mangelt es dir möglicherweise an Urvertrauen. Außerdem steckt hinter deinem nach außen sichtbaren Starksein die permanente innere Überforderung. Für dein Nervensystem bedeutet das den totalen Stress.

Die hohe Erregung im Nervensystem ist bei parentifizierten Kindern immer auch mit dem Gefühl von Angst gekoppelt. Überall hat früher die Unsicherheit gelauert. Die Unsicherheit, wie du zurechtkommen sollst, wenn deine Mutter, dein Vater oder beide Eltern nicht richtig „funktionieren“. 

Das hat bei dir nicht nur zu Überforderung, sondern gleichzeitig auch zu Angst geführt. So ist dir dieses „Lebensgefühl“ vielleicht bis heute geblieben.

Du hast in deiner Kindheit Parentifizierung erlebt?
5 Schritte, die dir heute gegen die Spätfolgen helfen.

1. Lerne, dich zu verstehen

Lies noch einmal die elf Spätfolgen durch und notiere dir, was auf dich zutrifft. Mach dir immer wieder klar: es war deine damalige Überlebens-Strategie. Kein Grund, dich selbst anzuklagen. Im Gegenteil, damals hat du alles genau richtig gemacht.

Nur sind diese Strategien heute nicht mehr nötig. Es geht in diesem Schritt nur darum, dich ab sofort liebevoll zu beobachten auf der Grundlage deiner neuen Erkenntnisse. Ohne dich zu bewerten.

2. Nimm deine eigenen Bedürfnisse wahr

Trainiere, in dich reinzuhorchen und deine Gefühle wahrzunehmen. Und zwar immer dann, wenn jemand Hilfe von dir wünscht oder du gerade wieder im Begriff bist, ungefragt zu helfen.

Entschlüssele deine Gefühle. Frag dich, was wirklich hinter deiner Hilfsbereitschaft steht. Und überlege, ob das, was du gerade im Begriff bist zu tun, wirklich der richtige Weg ist.

Übe nein zu sagen, lerne Konflikte auszuhalten. Trau dich, Verantwortung abzugeben, lass ruhig auch mal die anderen ran. Und sei gnädig mit dir, wenn das alles nicht gleich auf Anhieb klappt. Es ist schon ein großer Schritt, die Situationen überhaupt zu erkennen.

3. Schreib einen Brief

Schlüpf in die Rolle des Kindes, das du warst und schreib aus seiner Perspektive einen Brief an deine Eltern. Klage an, frage sie, ob es denn gar keinen anderen Weg für sie gegeben hätte, mit der damaligen Situation klarzukommen. 

Sag ihnen, wie überfordert du warst, wie wenig du Kind sein durftest. Schreib auch, was du dir gewünscht hättest. Was du gebraucht hättest. Schreib alles auf.

Schick den Brief nicht ab, sondern schau, wie es dir nach dem Schreiben geht. Lass alle Gefühle zu. Lass sie endlich raus. Und dann tu dir was Gutes, vielleicht machst du etwas vollkommen Kindliches und gehst einfach abends auf einem Spielplatz schaukeln?

4. Lass die Trauer zu, dass du nicht Kind sein durftest

Früher oder später wird eine große Traurigkeit in dir aufsteigen. Ein Kummer darüber, dass deine Kindheit keine goldene war. Dass dein Leben anders verlaufen wäre, wenn deine Eltern anders gewesen wären. Das ist traurig. Sehr traurig. Es tut gut, das zu beweinen. Du hast allen Grund dazu.

Gedicht Parentifizierung Checkliste

Es ist übrigens gesund, zu trauern. Man geht nämlich davon aus, dass etwa 70 Prozent aller Depressionen aus nicht gelebter Trauer entstehen. Also: Lass die Tränen rollen!

5. Lerne dich abzugrenzen

Dieser Schritt setzt voraus, dass du schon gelernt hast, deine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Und dann hab den Mut, dazu zu stehen. Mach dir bewusst, dass du ein Recht auf deine eigenen Gefühle hast. Du bist nur für dich verantwortlich, für niemanden sonst, außer du hast minderjährige Kinder.

Ständig über deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen hinwegzugehen, schwächt dich. Zu dir zu stehen, stärkt dich.

Sag öfter mal nein – es lässt sich lernen. Natürlich werden deine Familie, Freunde und Arbeitskollegen erstmal verwundert sein, denn das kennen sie ja gar nicht von dir. Aber trau ihnen ruhig zu, dass auch sie lernfähig sind. 

Und vielleicht erzählst du ihnen auch einfach, dass du jetzt mal ein bisschen was tun willst in Sachen „Selbstfürsorge“, damit du nicht im Burnout endest. Echte Freunde werden das verstehen.

Fazit

Wenn du schon als Kind erwachsen sein musstest, hast du höchstwahrscheinlich großartige Kompetenzen: zum Beispiel Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und ein hohes Verantwortungsbewusstsein.

Aber wenn diese Fähigkeiten im Übermaß ausgelebt werden, so dass sie zulasten deiner seelischen Gesundheit gehen, solltest du hellhörig werden und dringend etwas verändern.

Parentifizierung ist emotionaler Missbrauch

Parentifizierung passiert unbewusst. Und trotzdem fällt es in den Bereich Missbrauch. Parentifizierung zählt zum emotionalen Missbrauch. Im Vergleich zu körperlichem Missbrauch findet seelische Gewalt noch stärker im Verborgenen statt. Daher ist ihr nur schwer zu begegnen.

Oft wissen die Betroffenen selbst gar nichts davon bzw. würden ihre Symptome nicht diesem Bereich zuordnen. So leben sie über viele Jahre mit den Auswirkungen, oft ein ganzes Leben. Hier ist Aufklärung wichtig, denn dann ist Veränderung möglich.

Veränderung braucht Zeit

Das Einüben neuer Verhaltensweisen braucht Übung, Zeit und viel Wohlwollen mit dir selbst. Was sich über Jahrzehnte ausgeprägt hat, verschwindet nicht mit einem Fingerschnips.

Nimm Hilfe in Anspruch

Die Zeiten, in denen du alles allein schaffen musstest, sind vorbei. Heute hast du die Möglichkeit, dir Unterstützung zu suchen. Es ist ein langer Weg, aber er ist lohnend und geht sich mit Begleitung viel leichter als allein.

Nachtrag

Wenn du selbst Kinder hast und entdeckst, dass du sie – ohne es zu beabsichtigen – in die Elternrolle drängst, dann beginne, dein Verhalten zu verändern.

Auch hier gilt: sei liebevoll mit dir selbst, denn Veränderung braucht Zeit. Scheue dich nicht davor, dir professionelle Begleitung zu suchen. Das entlastet sehr.

Meine Bitte an dich

Wenn du Menschen kennst, die von Parentifizierung bzw. den Spätfolgen betroffen sein könnten, leite diesen Artikel gerne weiter. Auch freue ich mich, wenn du einen Kommentar hinterlässt. 🧡

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4 Antworten

  1. Liebe Susanne,
    vielen Dank für deine Aufklärung und deinen Blog Beitrag.
    Ich habe mich früher immer gewundert, daß ich diesen emotionalen Missbrauch auch als Missbrauch empfunden habe und mich gefragt, wieso mir für meine Empfindungen so ein krasser Begriff einfällt. Ja ich habe das als Missbrauch empfunden, obwohl ich nicht körperlich missbraucht wurde.
    Heute weiss ich über die Theorie dahinter einigermaßen Bescheid. Aber ich bin mir sicher, für die meissten Menschen ist das neu. Ich finde es so wichtig, daß darüber aufgeklärt wird. Deshalb und für vieles mehr ein großes DANKE an dich, liebe Susanne.

    1. DANKE für deine Worte. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie gut unser Bauchgefühl funktioniert: du hattest die Parentifizierung damals direkt als Missbrauch empfunden. Und genau das ist sie ja auch. Und ja, es hilft, darüber Bescheid zu wissen und seine eigenen Gefühle bestätigt zu bekommen.

  2. Liebe Susanne, ich habe lange gebraucht, den emotionalen Missbrauch zu erkennen und beim Namen zu nennen. Und dann sind die Eltern plötzlich steinalt und hilfsbedürftig. Und das Spiel geht in eine neue Runde. Ein großes Dankeschön an Dich für Deine wichtigen Impulse und weiter viel Erfolg!

  3. Liebe Susanne, danke für den sehr interessanten, ausführlichen und aufschlussreichen Beitrag. Als Betroffener kann man sich leicht wiederfinden, Dinge erkennen und verstehen. Auch deine 5 Tipps sind sehr hilfreich. Ich wünsche dir, dass dieser Beitrag viele Menschen erreicht, die von diesem Thema betroffen sind.

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