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Das Elfchen ist eine der beliebtesten Gedichtformen. 11 Worte auf 5 Zeilen. Fertig. Das aus den Niederlanden stammende Kurzgedicht feiert seinen Siegeszug seit über 30 Jahren. Und zwar in Pädagogenkreisen. Daher vielleicht auch die Neigung, es als Kinderei abzutun. Zeit, dem kleinen Wicht zu huldigen und ihm einen gebührenden Platz auch in den Herzen erwachsener Dichter und Denker zu sichern! DENN: Es wirkt wie eine Lupe, du bekommst schnell Klarheit über deine Gedanken und Gefühle.
Wie du ein Elfchen schreibst?
Na, einfach 1-2-3-4-1, los!
Ein Elfchen besteht aus genau 11 Worten. Diese verteilen sich über 5 Zeilen. Und zwar so:
1. Zeile | 1 Wort |
2. Zeile | 2 Worte |
3. Zeile | 3 Worte |
4. Zeile | 4 Worte |
5. Zeile | 1 Wort |
Rechne mal flott zusammen: 1+2+3+4+1=? Richtig: 11! Klar, daher der Name.
Elfchen-Regeln für den Start
Für den Anfang startest du am besten mit Regeln im Gepäck. Halte dich an die inhaltlichen Vorgaben. Später kannst du sie fallen lassen. Dann schreibst du einfach frei Schnauze. Aber zu Beginn sind die Regeln überaus hilfreich, damit Struktur und Inhalt in die Sache kommen.
1. Zeile | 1 Wort | Dein Thema. Eine Sache, ein Gegenstand, ein Zustand – kurz: ein Nomen / Hauptwort |
2. Zeile | 2 Worte | Verwende die LUPE 1: Beschreibe „das Ding“ aus Zeile 1 näher. |
3. Zeile | 3 Worte | Verwende die LUPE 2: Wo oder wie ist „das Ding“ aus Zeile 1? Was passiert? |
4. Zeile | 4 Worte | Verwende die LUPE 3: Wie fühlt es sich an? Was fühlst DU? Wie denkst du darüber? |
5. Zeile | 1 Wort | Was kommt dabei raus? Formuliere ein Fazit, ein Schlusswort. |
Das letzte Wort
Du weißt: Wer das letzte Wort hat, wird gehört. Das Wort in Zeile 5 hat also Zauberkraft. Nicht immer, aber meistens. Je nachdem, wie du es wählst. Es kann aufhorchen lassen, eine überraschende Wendung nehmen. Oder einfach zu Herzen gehen. Ganz wie’s beliebt.
Was ist das Großartige am kleinen Elfchen?
5 Antworten
- Es kann in nur 11 Worten ausdrücken, wofür du sonst eine halbe DIN A 4 Seite brauchen würdest. Daher eignet es sich super als charmante Zusammenfassung längerer Texte.
- Die vorgegebene Struktur ist simpel, du hast sie in nullkommanix intus.
- Es lässt dir viel Freiraum – du kannst jegliche Grammatik ignorieren, keine Sätze, kein Reim. Prima, oder?
- Du kannst mit einem Elfchen eine Stimmung zaubern und Gefühle transportieren – damit kannst du dich selbst und andere überraschen.
- Du wirst sehen: Manchmal ist es einfacher, in dieser eher unkonventionellen Art deine Gedanken zu verarbeiten als in ganzen Sätzen. Besonders bei emotional schwierigen Themen. Die Zeilen 2-4 (Stichwort LUPE) helfen dir, genauer auf ein Thema zu schauen. Ganz knapp + kurz + schnell. Und manchmal bringt Zeile 5 die ersehnte Klarheit.
Jetzt aber Butter bei die Fische! Los geht's!
Hier ein paar Beispiele zur Nachahmung, zur Anlehnung oder zum Weiterspinnen.
1. Zeile | 1 Wort | Sonntag |
2. Zeile | 2 Worte | Wie Urlaub |
3. Zeile | 3 Worte | Einfach nichts tun |
4. Zeile | 4 Worte | Langeweile macht sich breit |
5. Zeile | 1 Wort | Explosionsgefahr |
Ups, da war die Wendung. Hier scheint’s nicht nur eitel Sonnenschein zu geben. Lass uns mal eine zweite Strophe hinzufügen.
1. Zeile | 1 Wort | Wochenende |
2. Zeile | 2 Worte | Abhängen unerwünscht |
3. Zeile | 3 Worte | Sie plant Ausflüge |
4. Zeile | 4 Worte | Ich will meine Sonntagsruhe |
5. Zeile | 1 Wort | Ehekrach |
1. Zeile | 1 Wort | Flitterwochen |
2. Zeile | 2 Worte | Ferne Erinnerung |
3. Zeile | 3 Worte | Gemeinsamkeiten sind Mangelware |
4. Zeile | 4 Worte | Zwischen Trauer und Wut |
5. Zeile | 1 Wort | Krisenmodus |
1. Zeile | 1 Wort | Paartherapie |
2. Zeile | 2 Worte | Gewaltfreie Kommunikation |
3. Zeile | 3 Worte | Für sie Fremdwort |
4. Zeile | 4 Worte | Ok: bei MIR bleiben |
5. Zeile | 1 Wort | Klugscheißertherapeut |
Yes, es darf auch mal geflucht werden! Wie dir der Schnabel gewachsen ist. Kurz und knackig. Besonders Zeile 5 eignet sich für Wortschöpfungen. Ein Schatz der deutschen Sprache. (Und ein Horror für jeden Ausländer.)
Da liegt wohl ein Termin beim Anwalt in der Luft? Oder steht er gar schon im Kalender? Mal sehen…
1. Zeile | 1 Wort | Sonntag |
2. Zeile | 2 Worte | Draußen Siebentageregenwetter |
3. Zeile | 3 Worte | Wir suchen Nähe |
4. Zeile | 4 Worte | Wollen einander nicht loslassen |
5. Zeile | 1 Wort | Rettungsanker? |
Ende offen. Die beiden wollen einander nicht loslassen. Und wir wollen nicht weiter in fremde Fenster schauen. Aber du ahnst, wie’s gehen kann. Mit der Ehe. Und mit den Elfchen. Einfach frei von der Leber weg und frisch aus dem Leben. Keine Rücksicht auf irgendwas. Außer auf die Regeln. Zumindest am Anfang. Was aber sein muss – und zwar immer: 1-2-3-4-1. Das muss sein.
Die Sache mit der Überschrift
Du kannst den Elfchen von eben nun einfach eine Überschrift verpassen. Das hätten sie sich bei der Dramatik ja auch redlich verdient. Wie wär’s mit: Das verflixte siebte Jahr? Damit weckst du beim Leser Interesse. Er ahnt schon: Oh, das kann ja heiter werden…
Besonders bei mehrstrophigen Gedichten macht eine Überschrift Sinn. Und bei einzelnen Elfchen erschleichst du dir damit – völlig legal – eine weitere Zeile. Denn das wesentliche Wort ist dann ja schon in der Überschrift gesagt. Das ist quasi dein Joker. Genial.
Ich bin eine große Freundin nachträglicher Überschriften. Da bekommt das Ganze möglicherweise nochmal einen Dreh, zumindest eine Zusatzinfo. Wie in „Das verflixte siebte Jahr“.
Zusammengesetzt sieht das Ganze dann so aus:
Mach dir's leicht: Nutze die Elfchen-Hüpf-Technik
Die kannst du immer dann anwenden, wenn du ein mehrstrophiges Elfchen (also mehrere thematisch zusammenhängende Elfchen) schreiben möchtest. Die Hüpftechnik geht so: Das letzte Wort des ersten Elfchens ist identisch mit dem ersten Wort der nachfolgenden Strophe. Wenn du da mal drin bist im Hüpf-Rhythmus, geht’s wie von selbst. Dann bist du im Flow.
Hier siehst du die Struktur:
Hier ein Beispiel für die Elfchen-Hüpf-Technik:
Meide dieses 1 No-Go
Das sind Sätze. Ganze Sätze. Solche, die sich über 4-5 Zeilen ziehen. Das geht GAR NICHT. Sowas wie:
1. Zeile | 1 Wort | Sonntag |
2. Zeile | 2 Worte | Machen wir |
3. Zeile | 3 Worte | Einfach mal nichts |
4. Zeile | 4 Worte | Außer uns ganz schrecklich |
5. Zeile | 1 Wort | Langweilen |
NEIN, SO BITTE NICHT. Denn dann kannst du ja direkt Prosa (Fließtext) schreiben. Aber wir wollen doch Dichter sein, oder nicht?
Was macht eigentlich ein Dichter?
Er verdichtet. Du musst dir ein Gedicht vorstellen wie einen durchgesiebten Fließtext. Alles Nebensächliche ist durch die Löcher gefallen. Du hast nur das Wesentliche aufgefangen. Zurück bleibt die Essenz. Eine Ver-Dichtung. Kurz: ein Gedicht.
Es eignet sich super für die Zusammenfassung längerer Fließtexte, zum Beispiel im Biografischen Schreiben. Wenn dich das interessiert, dann klicke hier.
Und Sonst? Geht da noch was?
3 weitere Einsatz-Möglichkeiten
1
Ein Elfchen ist mehr als nur Selbstzweck: Es weitet deinen Horizont, dehnt deinen Kopf, löst Blockaden und dient als Kreativitäts-Booster, wenn du und deine Kollegen z.B. in einer Sitzung mal nicht weiterwissen. Dann rege doch mal das Elfchen-Schreiben (natürlich zum Thema eurer Sitzung) an. Klingt komisch. Ist aber erwiesenermaßen oft von Erfolg gekrönt.
2
Ein Elfchen spricht viele Sprachen – auch als Anfänger kannst du schon nach kurzer Zeit ein Elfchen in einer Fremdsprache verfassen. Not bad, right?
3
Nutze deine Elfchen einfach mal als Geschenk. Kaufen war gestern. Selbst verfassen ist doch viel wertiger. Nachhaltiger. Zu Herzen gehender. Verschenke 11 Worte auf 5 Zeilen. Leg sie deinem Schatz unters Kopfkissen. Deinem Kind ins Mäppchen. Schreib sie deiner Freundin auf eine Karte. Briefmarke drauf und ab die Post! Einfach so. Weil du sie magst. Vergiss nicht: Elfchen haben Zauberkraft. Auch wenn wir schon groß sind und gar nicht mehr an Trolle und Elfen glauben.